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Stand: 04/2014 1 Allgemeine Angaben Name (Synonym): Leptospira interrogans (Stimson 1907) Wenyon 1926 [„Spirochaeta interrogans“ Stimson 1907; „Spirochaeta biflexa“ Wolbach and Binger 1914; „Spirochaeta nodosa” Hubener and Reiter 1916; „Spirochaeta icterohaemorrhagiae“ Inada et al. 1916; „Spirochaeta icterogenes“ Uhlenhut and Fromme 1916; „Leptospira icteroides“ Noguchi 1919]; Erstbeschreibung : Stimson, A. M. (1907) Note on an organism found in yellow-fever tissue. Public Health Report 22: 541 [40]; Wenyon, C. M. (1926) Spirochaetes, pp. 1233- 1288, in: Wenyon, C. M. (Hrsg.), Protozoology, Vol. 2. Williams, Wood and Co., New York [42]; Etymologie: Gr. Adj. leptos, dünn, zart, fein; L. fem. Subst. spira, Windung, Spirale; L. Part. praes. interrogans, (be)fragend. Typstamm : Stamm RGA = ATCC 23581 (L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) Name (Synonym) : Leptospira borgpetersenii Yasuda et al. 1987; Erstbeschreibung : Yasuda, P. H., Steigerwalt, A. G., Sulzer, K. R., Kaufmann, A. F., Rogers, F., & Brenner, D. J. (1987) Deoxyribonucleic acid relatedness between serogroups and serovars in the family Leptospiraceae with proposals for seven new Leptospira species. Int. J. Syst. Bacteriol. 37: 407-415 [45]; Etymologie : N. L. masc. gen. Subst. borgpetersenii, (zu Ehren) von Dr. C. Borg-Petersen, einem dänischen Arzt. Typstamm : Stamm Veldrat Bataviae 46 = ATCC 43292 Name (Synonym) : Leptospira kirschneri Ramadass et al. 1992; Erstbeschreibung : Ramadass, P., Jarvis, B. D. W., Corner, R. J., Penny, D., & Marshall, R. B. (1992) Genetic characterization of pathogenic Leptospira species by DNA hybridization. Int. J. Syst. Bacteriol. 42: 215-219 [22]; Etymologie : N. L. masc. gen. Subst. kirschneri, (zu Ehren) von Dr. L. Kirschner, einem niederländischen medizinischen Mikrobiologen. Typstamm : Serovar Cynopteri Stamm 3522C = ATCC 49945 Taxonomische Anmerkungen : Die Gattung Leptospira Noguchi 1917 [8, 20] gehört innerhalb des Phylum Spirochaetes und der Ordnung Spirochaetales zur Familie Leptospiraceae Hovind- Hougen 1979 [11], die sich phylogenetisch deutlich von anderen Spirochäten abgrenzt [21]. Obwohl ein pathogener Vertreter der Gattung (wahrscheinlich L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) bereits 1907 erstmals von Stimson im Nierengewebe eines scheinbar an Gelbfieber Verstorbenen beobachtet worden war, hielt man diese Gattung wegen des Fehlens brauchbarer Unterscheidungsmerkmale viele Jahrzehnte lang für monospezifisch [aus nur einer Spezies (Art) bestehend]. Noch 1984 waren offiziell nur zwei Arten, Leptospira interrogans und Leptospira biflexa, anerkannt [13], wobei die erstere als pathogen und die letztere als apathogen galt. Es wurde aber schon damals erkannt, dass sich beide Arten in viele verschiedene Serovarietäten unterteilen lassen, wobei man antigenetisch verwandte Serovarietäten zu Serogruppen zusammenfasste. Erst mit der Anwendung moderner molekularbiologischer Methoden wurde deutlich, dass beide Arten heterogen waren und deshalb in mehrere eigenständige Spezies unterteilt werden konnten [13]. Inzwischen wurden insgesamt 21 verschiedene Leptospira-Arten gültig beschrieben, die letzten fünf erst im Jahr 2013 [35, 39]. Schon vorher hatte die Zahl der Serovarietäten und Serogruppen geradezu dramatisch zugenommen und nimmt offenbar weiterhin zu, so dass heute allein innerhalb der pathogenen Leptospira-Arten mindestens 25 Serogruppen mit weit mehr als 200 Serovars unterschieden werden [3]. Auffällig ist dabei, dass sich die Serogruppen- und Serovarverteilung nicht an die heutigen Speziesgrenzen hält, so dass viele Serogruppen bzw. Serovarietäten in verschiedenen Leptospira interrogans, Leptospira kirschneri und Leptospira borgpetersenii mit den Serovarietäten Icterohaemorrhagiae, Grippotyphosa, Canicola und Pomona Leptospira interrogans, Stamm RGA (Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme: CDC/NCID/Rob Weyant)

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Allgemeine Angaben Name (Synonym): Leptospira interrogans (Stimson 1907) Wenyon 1926 [„Spirochaeta interrogans“

Stimson 1907; „Spirochaeta biflexa“ Wolbach and Binger 1914; „Spirochaeta nodosa” Hubener and Reiter 1916; „Spirochaeta icterohaemorrhagiae“ Inada et al. 1916; „Spirochaeta icterogenes“ Uhlenhut and Fromme 1916; „Leptospira icteroides“ Noguchi 1919];

Erstbeschreibung: Stimson, A. M. (1907) Note on an organism found in yellow-fever tissue. Public Health Report 22: 541 [40]; Wenyon, C. M. (1926) Spirochaetes, pp. 1233-1288, in: Wenyon, C. M. (Hrsg.), Protozoology, Vol. 2. Williams, Wood and Co., New York [42];

Etymologie: Gr. Adj. leptos, dünn, zart, fein; L. fem. Subst. spira, Windung, Spirale; L. Part. praes. interrogans, (be)fragend.

Typstamm: Stamm RGA = ATCC 23581 (L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) Name (Synonym): Leptospira borgpetersenii Yasuda et al. 1987; Erstbeschreibung: Yasuda, P. H., Steigerwalt, A. G., Sulzer, K. R., Kaufmann, A. F.,

Rogers, F., & Brenner, D. J. (1987) Deoxyribonucleic acid relatedness between serogroups and serovars in the family Leptospiraceae with proposals for seven new Leptospira species. Int. J. Syst. Bacteriol. 37: 407-415 [45];

Etymologie: N. L. masc. gen. Subst. borgpetersenii, (zu Ehren) von Dr. C. Borg-Petersen, einem dänischen Arzt.

Typstamm: Stamm Veldrat Bataviae 46 = ATCC 43292 Name (Synonym): Leptospira kirschneri Ramadass et al. 1992; Erstbeschreibung: Ramadass, P., Jarvis, B. D. W., Corner, R. J., Penny, D., & Marshall,

R. B. (1992) Genetic characterization of pathogenic Leptospira species by DNA hybridization. Int. J. Syst. Bacteriol. 42: 215-219 [22];

Etymologie: N. L. masc. gen. Subst. kirschneri, (zu Ehren) von Dr. L. Kirschner, einem niederländischen medizinischen Mikrobiologen.

Typstamm: Serovar Cynopteri Stamm 3522C = ATCC 49945 Taxonomische Anmerkungen: Die Gattung Leptospira Noguchi 1917 [8, 20] gehört innerhalb des Phylum

Spirochaetes und der Ordnung Spirochaetales zur Familie Leptospiraceae Hovind-Hougen 1979 [11], die sich phylogenetisch deutlich von anderen Spirochäten abgrenzt [21]. Obwohl ein pathogener Vertreter der Gattung (wahrscheinlich L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) bereits 1907 erstmals von Stimson im Nierengewebe eines scheinbar an Gelbfieber Verstorbenen beobachtet worden war, hielt man diese Gattung wegen des Fehlens brauchbarer Unterscheidungsmerkmale viele Jahrzehnte lang für monospezifisch [aus nur einer Spezies (Art) bestehend]. Noch 1984 waren offiziell nur zwei Arten, Leptospira interrogans und Leptospira biflexa, anerkannt [13], wobei die erstere als pathogen und die letztere als apathogen galt. Es wurde aber schon damals erkannt, dass sich beide Arten in viele verschiedene Serovarietäten unterteilen lassen, wobei man antigenetisch verwandte Serovarietäten zu Serogruppen zusammenfasste. Erst mit der Anwendung moderner molekularbiologischer Methoden wurde deutlich, dass beide Arten heterogen waren und deshalb in mehrere eigenständige Spezies unterteilt werden konnten [13]. Inzwischen wurden insgesamt 21 verschiedene Leptospira-Arten gültig beschrieben, die letzten fünf erst im Jahr 2013 [35, 39]. Schon vorher hatte die Zahl der Serovarietäten und Serogruppen geradezu dramatisch zugenommen und nimmt offenbar weiterhin zu, so dass heute allein innerhalb der pathogenen Leptospira-Arten mindestens 25 Serogruppen mit weit mehr als 200 Serovars unterschieden werden [3].

Auffällig ist dabei, dass sich die Serogruppen- und Serovarverteilung nicht an die heutigen Speziesgrenzen hält, so dass viele Serogruppen bzw. Serovarietäten in verschiedenen

Leptospira interrogans, Leptospira kirschneri und Leptospira borgpetersenii mit den Serovarietäten Icterohaemorrhagiae, Grippotyphosa, Canicola und Pomona

Leptospira interrogans, Stamm RGA (Rasterelektronenmikroskopische

Aufnahme: CDC/NCID/Rob Weyant)

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Spezies anzutreffen sind [3, 13]. Die Spezies L. interrogans umfasst insgesamt 16 Serogruppen, unter denen Australis, Autumnalis, Canicola, Icterohaemorrhagiae, Pomona, Pyrogenes und Sejroe besonders häufig vorkommen. Zu L. borgpetersenii gehören insgesamt 13 Serogruppen, unter denen Ballum, Javanica, Sejroe und Tarassovi am häufigsten sind. Innerhalb von L. kirschneri wurden insgesamt 9 Serogruppen nachgewiesen, unter denen neben Autumnalis und Pomona vor allem Grippotyphosa vorherrscht [3, 22].

Für das vorliegende Dossier wurden die Arten und Serovarietäten ausgewählt, die nach Angaben des Robert Koch-Instituts [12, 24 – 32] in den letzten Jahren in Deutschland überwiegend nachgewiesen wurden. Dabei waren allerdings nur die Angaben zu den gefundenen Serovarietäten einigermaßen vollständig, während die Identifizierung bis zur Spezies-Ebene bisher in Deutschland, auch im unten genannten Konsiliarlaboratorium, nur ausnahmsweise vorgenommen wurde bzw. wegen fehlender Erregeranzüchtung nicht möglich war.

Risikogruppen der Wildtypen: alle drei 2, Z Konsiliar-/Referenzlabor: Konsiliarlaboratorium für Leptospirose, Bundesinstitut für Risikobewertung,

Diedersdorfer Weg 1, 12277 Berlin (Dr. Karsten Nöckler – Diagnostik, Bundesinstitut für Risikobewertung; Prof. Dr. Klaus Stark – Klinik und Epidemiologie, Robert Koch-Institut)

Molekularbiologie, Morphologie und Physiologie Genom: Das Genom der oben genannten Arten besteht jeweils aus zwei Chromosomen (CI und

CII), einem großen Chromosom (CI) von 3,5-4,5 Mb und einem wesentlichen kleineren Chromosom (CII) von größenordnungsmäßig 0,3-0,35 Mb, wobei letzteres zunächst als extrachromosomales Element angesehen worden war [34, 46]. Die Genom-Daten von zwei Vertretern der Spezies L. interrogans sind im Einzelnen wie folgt: Leptospira interrogans Serovar Copenhageni, Stamm Fiocruz L1-130 [19]: Größe CI 4.277.185 bp, N+C-Gehalt 35,1 mol%; Größe CII 350.181 bp, N+C-Gehalt 35,0 mol%; CI verfügt insgesamt über 3.454 Protein-kodierende Gene; CII besitzt 274 Protein-kodierende Gene; in CI wurden 26 IS-Elemente identifiziert, in CII kein einziges IS-Element; beide Chromosomen sind ringförmig geschlossen. Sequence accession numbers: AE016823 (CI), AE016824 (CII).

Leptospira interrogans Serovar Lai [18, 23]: Größe CI 4.332.241 bp, N+C-Gehalt 36,0 mol%; Größe CII 358.943, G+C-Gehalt 36,1 mol%; CI besitzt 4.360 Protein-kodierende Gene, CII 367; in CI wurden 48 IS-Elemente gefunden, in CII 9.

Von den Genomen dieser beiden Serovarietäten von L. interrogans unterscheiden sich die Genome der Stämme L550 und JB197 von Leptospira borgpetersenii Serovar Hardjo [4] deutlich: Größe CI 3.614.446 bzw. 3.576.473 bp, N+C-Gehalt 40,23 mol% (beide Stämme); Größe CII 317.336 bzw. 299.762 bp, N+C-Gehalt 40,16 bzw. 40,43 mol%; CI besitzt 2.949 bzw. 2.909 Protein-kodierende Gene, CII 262 bzw. 257 dieser Gene. Damit ist das Gesamtgenom von L. borgpetersenii etwa 700 kb kleiner als das von L. interrogans, wobei der Genverlust der ersteren Spezies vor allem Gene betrifft, die für die Anpassung an und das Überleben unter verschiedensten Umweltbedingungen und damit ihre Verbreitungs- und Übertragungsfähigkeit bedeutsam sind (s. u.).

zelluläre und kulturelle Morphologie: Hinsichtlich ihrer zellulären Morphologie sind sich alle pathogenen Leptospira-Arten und -Serovarietäten sehr ähnlich, weshalb sie sich morphologisch nicht unterscheiden lassen: Zellen eng spiralig gewunden und sehr dünn; mittlere Länge 10-15 µm, Durchmesser meist 0,1 µm, Wellenlänge etwa 0,5 µm und Amplitude etwa 0,1-0,15 µm.

Eines oder beide Enden des Schraubenbakteriums sind hakenförmig umgebogen, so dass im letzteren Fall Fragezeichen- (interrogans – fragend!) oder Kleiderbügel-ähnliche Formen entstehen. Wegen ihres geringen Durchmessers lassen sich Leptospiren am besten mit Hilfe der Dunkelfeld- oder Phasenkontrastmikroskopie sowie rasterelektronenmikroskopisch sichtbar machen [13, 15, 37, 38]. Die Anfärbbarkeit mit üblichen bakteriologischen Färbemethoden ist wie bei vielen anderen Spirochäten unbefriedigend.

Die Zellumhüllung der Leptospiren ähnelt denen der gramnegativen Bakterien, bestehend aus der inneren Zytoplasmamembran und einer äußeren Membran; die Peptidoglycanschicht, die α,ε-Diaminopimelinsäure als Diaminosäure enthält, ist allerdings enger mit der inneren als der äußeren Membran verbunden. Zwischen

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Peptidoglycanschicht und der äußeren Membran erstreckt sich der periplasmatische Raum, in dem zwei Geißeln (sog. Endoflagellen oder periplasmatische Flagellen) liegen, die an den beiden Enden der Zellen aus der Zytoplasmamembran entspringen und für die Beweglichkeit des Bakteriums erforderlich sind. Die Bewegungen sind einerseits alternierende Rotationen um die Längsachse oder Verschiebebewegungen in Richtung des nicht umgebogenen Zellendes, soweit nur ein Ende umgebogen ist [13 – 15].

Auf 1%igen Agarmedien werden bei langsamen (Generationszeit 6-10 Std.) Wachstum nichtpigmentierte, diffuse oder gut abgegrenzte Kolonien unterhalb der Agaroberfläche gebildet, unter optimalen Bedingungen nach 4-7 Tagen; auf 2%igem Agar bilden sich klare oder trübe Oberflächenkolonien, die ebenfalls keine Spezies- oder Serovardiagnose erlauben [13, 15]!

Physiologie: Obligat aerob mit einem Atmungsstoffwechsel und Sauerstoff als terminalem Elektronenakzeptor; mesophil: optimale Vermehrungstemperatur: 28-30 °C; minimale Wachstumstemperatur der pathogenen Arten: 13-15 °C, für saprophytische Spezies: 5-10 °C. Deshalb kann Wachstum bei 13 °C zur Unterscheidung pathogener und saprophytärer Arten benutzt werden.

Optimaler pH-Wert zur Vermehrung: 7,2-7,6. Chemoorganotroph, wobei Fettsäuren und längerkettige Alkohole (15 C-Atome und mehr)

als Kohlenstoff- und Energiequelle sowie als Quelle zellulärer Fettsäuren dienen, da letztere nicht synthetisiert werden können [13]. Fettsäuren werden mittels β-Oxidation zu Acetat und CO2 metabolisiert. Kohlenhydrate und Aminosäuren können als Kohlenstoff- und Energiequellen nicht verwertet werden. Ammoniumsalze, nicht Aminosäuren, dienen als leicht verwertbare Stickstoffquellen [13]. Zusätzliche Wachstumsfaktoren sind Vitamin B1 (Thiamin) und Vitamin B12 (Cyanocobalamin).

charakteristische diagnostische Merkmale: Die Gattungsdiagnose gelingt relativ leicht dunkelfeldmikroskopisch, eventuell sogar unmittelbar aus klinischem Material (z. B. Urin), anhand der unverwechselbaren zellulären Morphologie. Auch mithilfe der Silberimprägnation lassen sich Leptospiren sehr gut darstellen [1]. Zur Kultur bei 28-30 °C werden verschiedene flüssige und verfestigte Spezialmedien (z. B. nach Fletcher, Korthoff, Noguchi, Stuart) eingesetzt. Für diagnostische Zwecke bevorzugt wird heute das Ellinghausen-McCullough-Johnson-Harris(EMJH)-Medium, das Polysorbat 80 (Tween80) als C-Quelle, Albumin und Vitamine enthält und kommerziell erhältlich ist (Difco Cat. No. 279510) [15], aber eventuell noch mit Pyruvat oder Kaninchenserum (0,21%) supplementiert werden muss [15]. Als Geliermittel scheint Gellangummi, ein Polysaccharid, das als Verdickungsmittel (E 418) in der Lebensmittelindustrie zugelassen ist, geeigneter zu sein als Agar [33]. Die Identifizierung des vorliegenden Serovars erfolgt serologisch (cross-agglutination absorption), mit monoklonalen Antikörpern oder molekularbiologisch.

Natürlicher Standort prinzipiell wirtsgebunden, in Abhängigkeit von der Spezies/Serovarietät längeres Überleben in der Außenwelt

möglich: Erdboden, Wasserpfützen bzw. Überschwemmungswasser auf kontaminierten Böden, Oberflächenwasser von Flüssen und Seen.

Wirtsbereich: Weltweit endemisch bei vielen verschiedenen, wild lebenden oder domestizierten Tieren, die chronisch infiziert sind und die Erreger über den Urin ausscheiden (Erhaltungs- bzw. Reservoirwirte) [15]: Ratten und andere Nager stellen die wichtigsten Erregerreservoire dar, die sich bereits als Jungtiere durch direkten Kontakt mit Artgenossen infizieren; weiterhin wichtig als potenzielle Überträger sind Haus- und Nutztiere wie Rinder, Schweine und Hunde. Darüber hinaus können Wildtiere wie Rehe, Hirsche, Eichhörnchen, Füchse, Stinktiere und sogar Reptilien und Amphibien Träger der Erreger sein. In Europa sind Ratten, Feldmäuse, Wühlmäuse, Spitzmäuse und Igel übliche Erhaltungswirte [10]. Dabei sind oft bestimmte Tiere typische Reservoire einzelner Serogruppen oder Serovarietäten: Ratten sind die bevorzugten Reservoire für die Serogruppe Icterohaemorrhagiae einschließlich des gleichnamigen Serovars; Mäuse beherbergen die Serogruppe Ballum, aber auch die Serovarietät Grippotyphosa (Feldmäuse); Milchkühe sind die Erhaltungswirte der Serovars Hardjo, Pomona und Grippotyphosa; Schweine können Träger der Serovarietäten Pomona, Tarassovi und Bratislava sein; Hunde sind typische Wirte der Serovarietät Canicola, obwohl kürzlich gezeigt werden konnte [16], dass die Hunde in Berlin inzwischen bevorzugt von Leptospiren der Serogruppen

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Australis, Grippotyphosa und Pomona befallen werden, was als Folge der üblichen Impfung von Hunden gegen Leptospirose gedeutet werden kann, da der in Deutschland bisher erhältliche Impfstoff für Hunde nur gegen die Serovarietäten Icterohaemorrhagiae und Canicola immunisiert.

Der Mensch ist in jedem Fall Zufallswirt und erkrankt akut an Leptospirose; chronische Infektionen kommen beim Menschen offenbar nicht oder nur äußerst selten vor. Akut erkranken aber auch viele Haus-, Nutz- und Wildtiere, wenn sie mit einer anderen als der an sie angepassten Serovarietät in Kontakt kommen [15].

Pathogenität pathogen für: Menschen und viele verschiedene Wild-, Haus- und Nutztiere (Wirbeltiere) –

Zoonoseerreger. Pathogenitätsfaktoren/Pathogenese: Die Pathogenitätsmechanismen der Leptospiren waren noch 1984

weitgehend unbekannt [13]. Endotoxin-Wirkung wurde für verschiedene Serovars beschrieben, obwohl das Lipopolysaccharid (LPS) in der äußeren Membran der Leptospiren deutlich schwächer wirkt als das von anderen gramnegativen Bakterien. Serovarietät Pomona, die bei Rindern eine hämolytische Erkrankung auslöst wie Serovar Ballum bei Hamstern, besitzt eine Sphingomyelinase. Serovar Canicola verfügt über Phospholipase-C-Aktivität. Bei den Serovars Pomona und Copenhageni wurden zytotoxische Wirkungen nachgewiesen [15].

Leptospiren zeigen Adhäsion an epitheliale Zellen, besonders der Niere, die durch homologe Antikörper verstärkt wird. In Anwesenheit spezifischer Antikörper werden Lep-tospiren von Makrophagen phagozytiert, an neutrophile Granulozyten lagern sie sich mit Hilfe des LPS an, ohne abgetötet zu werden. In Anwesenheit von Serum und Komplement werden sie aber von Granulozyten phagozytiert [5, 15].

Eine wichtige Rolle bei der Pathogenese der Leptospirosen spielt das Immunsystem des befallenen Organismus, wobei zirkulierende Immunkomplexe offenbar von großer Bedeutung sind. Kreuzreaktionen zwischen Leptospiren-Antikörpern und Wirtsgewebe (z. B. des Auges) haben ebenfalls pathogenetische Funktion. Außerdem induzieren Leptospiren Apoptose [15].

LPS und verschiedene Lipoproteine der äußeren Membran (OMPs) sind äußerst immunogen und verantwortlich für die Serovarspezifität der Antikörper. Ein Fibronectin-bindendes Protein wurde nur bei virulenten Stämmen gefunden [15].

Immunität gegen Leptospiren ist im Wesentlichen humoral. Sie ist Serovar-spezifisch und geht in erster Linie auf die Antigenität des LPS zurück [15].

Der genetische Hintergrund dieser und weiterer, potenzieller Virulenzfaktoren konnte durch die vollständige Sequenzierung mehrerer Leptospira-Genome geklärt oder wahrscheinlich gemacht werden [4, 6, 9, 18, 19]. In L. interrogans Serovar Lai Stamm Lai wurden zwei Genominseln identifiziert, die potenzielle Virulenzgene enthielten, aber bei anderen Stämmen nicht vorkamen, was auf Unterschiede in der Ausprägung der Pathogenität verschiedener Stämme schließen lässt [9].

L. interrogans verfügt über 79 Gene, deren Produkte an der Beweglichkeit und Chemotaxis der Bakterien beteiligt sind und den Genen für Gleitbewegungen anderer Bakterien mit gleitender Bewegung ähnlich sind [18]. Die Fähigkeit der Leptospiren, sich systemisch im Körper des befallenen Organismus auszubreiten, ist wahrscheinlich Folge ihrer raschen Translokation durch Wirtszellmembranen [2]. Neben Beweglichkeit und Chemotaxis spielen offenbar Gene, die Sphingomyelinase-C-ähnliche Hämolysine und Phospholipase D kodieren, eine Rolle für die Invasivität. Zusätzlich erleichtert der proteolytische Abbau von extrazellulären Matrixproteinen die Gewebeinvasion. Gene, die Proteasen einschließlich Kollagenase, eine Metalloprotease und Thermolysinanaloga kodieren, wurden identifiziert [18]. Die meisten Genprodukte, die an der Pathogenität beteiligt sind, werden offenbar als Lipoproteine an die Zelloberfläche transportiert und dann sezerniert, und zwar über Typ-I- und/oder Typ-II-Sekretionssysteme [18].

Die Primärläsion, die von Leptospiren im befallenen Organismus hervorgerufen wird, ist die Endothelschädigung kleiner Blutgefäße, die zu Einblutungen und lokaler Ischämie führt. Daraus resultieren Nierentubulusnekrosen, Leberzellschäden, Meningitis und Myositis [zitiert nach 19]. Pathogene Leptospiren besitzen mehrere Gene, die Sphingomyelinase C entsprechen und Hämolysinfunktion haben [6, 19], aber als Hydrolasen wohl auch auf andere Sphingolipide, etwa solche von Erythrozyten, wirken.

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Gene für eine weitere Klasse von zytotoxischen Hämolysinen (tlyABC) wurde ebenfalls in Leptospiren identifiziert, wobei offenbar Speziesunterschiede hinsichtlich der Vollständigkeit der Hämolysingene bestehen [6].

Die nicht durch Fimbrien bedingten Leptospiren-Adhäsine, die für die Besiedlung des Wirtsgewebes in der Frühphase der Krankheitsentstehung verantwortlich sind, gehören zwei Familien an: Zur ersten Familie gehören drei Gene (ligA, ligB, ligC), die sowohl bei L. interrogans als auch bei L. kirschneri gefunden wurden und Proteine kodieren, die Immunglobulin-ähnliche Domänen enthalten und an der Interaktion zwischen Wirt und Erreger beteiligt sind, wobei sich die verschiedenen Serovars hinsichtlich der Zahl und Basensequenz der lig-Gene unterscheiden [18]. Die zweite Familie von Adhäsinen besteht aus drei Integrin-α-ähnlichen Proteinen, bei denen es sich um integrale Membranproteine handelt, die für Liganden-bindende Wechselwirkungen verantwortlich sind. Unter den Leptospiren, deren Genom vollständig sequenziert wurde, finden sich die Gene für Integrin-α-ähnliche Proteine allein bei L. interrogans [6, 18, 19].

Lipopolysaccharide (LPSs) unterscheiden die Leptospirenoberfläche von anderen Spirochäten. Man nimmt an, dass der O-Antigen-Genlocus (rfb-Locus) von L. interrogans durch lateralen Gentransfer erworben wurde. Veränderungen in den Genen, die für die Synthese von LPS zuständig sind, wurden für die auffällige Serovardiversität der Leptospiren und für ihre Adaptation an neue tierische Wirte verantwortlich gemacht. Allerdings spricht vieles dafür, dass zusätzlich Gene außerhalb des rfb-Locus für antigenetische Unterschiede notwendig sind [18].

Obwohl es keine experimentellen Hinweise gibt, dass L. interrogans eine Kapsel oder Biofilme bildet, enthält das Genom Gene für die Synthese von Zellwand-Kapselpolysacchariden und sezernierten Exopolysacchariden, die für die Kolonisation des Nierentubulusepithels der Reservoirwirte und für das Überleben der pathogenen Leptospiren in der Außenwelt von Bedeutung sein könnten [18].

Die Genome der Serovars Copenhageni und Lai enthalten mehrere IS-Elemente in größerer und unterschiedlicher Kopienzahl, die bekanntlich zur Diversität prokaryontischer Genome und so auch der von Leptospiren führen, was auf unterschiedlichen umweltbedingten Selektionsdruck hinzuweisen scheint [18, 19].

Das Genom von L. borgpetersenii enthält Gene für zwei N-Acetylneuraminsäure-Synthetasen, die bei L. interrogans nicht gefunden wurden und die möglicherweise den Erreger vor der Entdeckung durch das Wirtsimmunsystem durch Umhüllung mit Neuraminsäure schützen. Außerdem besitzt L. borgpetersenii nur drei Sphingomyelinase-Gene im Vergleich zu fünf von L. interrogans, was Unterschiede in der zerstörenden Wirkung auf Wirtsgewebe anzeigen könnte. Unterschiede bestehen auch hinsichtlich der jeweils vorhandenen Adhäsine bzw. Adhäsin-Gene. Schließlich fand sich im Genom von L. borgpetersenii allein das ligB-Gen [4]. Auf den (teilweisen) Verlust von Genen, welche die Anpassung und das Überleben des Erregers in der Außenwelt und damit seine Ausbreitungs- und Übertragungsfähigkeit fördern, wurde schon oben hingewiesen.

Ausprägung der Pathogenität: obligat pathogen für den Menschen und viele Tierarten. Infektionsdosis: nicht bekannt, wahrscheinlich recht niedrig. fruchtschädigende Wirkung: im ersten Trimenon: Frühabort; im zweiten und dritten Trimenon: Abort,

intrauteriner Fruchttod, Totgeburt, Neugeborenenleptospirose; peripartal: Neugeborenenleptospirose, evtl. Übertragung durch Muttermilch [15, 36].

Allergenität: nicht bekannt. Toxigenität: Relativ geringe Endotoxinwirkung; keine Exotoxine im engeren Sinne, aber Proteine und

Enzyme mit gewebstoxischer Wirkung (s. o.). Krankheit Bezeichnung: Leptospirose – ikterische oder anikterische Verlaufsformen unterschiedlicher

Schweregrade: Morbus Weil/Weil’sche Krankheit, Feldfieber/Schlammfieber, Canicola-Fieber/ „Stuttgarter Hundeseuche“, Schweinehüterkrankheit/Schweinehirten-Meningitis [17] (Die Zuordnung dieser Erkrankungsformen zu bestimmten Serovars, die früher üblich war, ist aufgegeben worden, da es vielfache Überschneidungen zwischen den durch verschiedene Serovarietäten hervorgerufenen Krankheitsbildern gibt. Sinnvoll ist nur die Differenzierung zwischen ikterischen und anikterischen Verlaufsformen [15].

Inkubationszeit: 10 Tage (4-19 Tage) [10]. Symptome: In der Regel biphasischer Krankheitsverlauf mit grippeähnlichen Symptomen in der ersten

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bakeriämischen Phase, einem kurzen symptomenfreien Intervall und einer zweiten Phase, der „Immunphase“, mit ernsten Krankheitszeichen wie Meningitis, Leberschädigung mit Gelbsucht und/oder Nierenversagen durch Absiedlung der Erreger in den entsprechenden Organsystemen [15].

Ikterische Verlaufsform: plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, starken Muskel- und Kopfschmerzen mit Muskelstarre, Schüttelfrost, Halsschmerzen, Übelkeit, mehr oder weniger stark ausgeprägte Gelbsucht, die zwischen dem 5. und 9. Krankheitstag auftritt und 4-5 Tage später ihr Maximum erreicht; Leberschwellung meist vorhanden, die aber bei Überlebenden folgenlos ausheilt; bei schweren Verlaufsformen verschiedene Blutungssymptome wie flächige oder punktförmige Hauteinblutungen, Zahnfleischbluten, Nasenbluten und Bluthusten; Subarachnoidalblutungen oder Blutungen aus dem Magen-Darm-Kanal sind meist tödlich; Einblutungen in die Augenbindehaut sind ein wichtiges Diagnostikum; lebensbedrohendes Nierenversagen ist eine typische Komplikation; Oligo- oder Anurie entwickeln sich dabei meist während der zweiten Krankheitswoche; Abmagerung, Erbrechen, Benommenheit, Desorientierung und Verwirrtheit schreiten in schweren Fällen rasch zu Krämpfen und Koma fort.

Anikterische Verlaufsform: abrupter Beginn mit (meist) sehr hohem Fieber, starken Muskel- und Kopfschmerzen mit (vorausgehender) Muskelstarre und Schüttelfrost, Benommenheit (typhöses Erscheinungsbild); außerdem Halsschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Augenschmerzen, gerötete Augenbindehäute ohne Eiterabsonderung, Leberschwellung ohne Gelbsucht, selten bis sehr selten Milzschwellung, Durchfall, verringerte Harnausscheidung, Lungenbefunde mit Husten (in der Regel kein Bluthusten), praktisch nie Hauteinblutungen. Die Unterschiede zwischen beiden Verlaufsformen sind somit eher quantitativer als qualitativer Natur und die genannten Symptome können in wechselnder Häufigkeit auftreten, so dass sehr unterschiedliche klinische Bilder resultieren können. Asymptomatische Verläufe kommen vor [41]!

Schwere, Verlauf und Prognose: Die Weil’sche Krankheit ist oft lebensbedrohend; bei Überlebenden bleiben aber keine Leberfunktionsstörungen zurück; die Nierenfunktion erholt sich in der Regel erst nach Wochen bis mehreren Monaten. Patienten mit anikterischen Verlaufsformen werden meist innerhalb einer Woche symptomenfrei, können aber einige Tage nach der scheinbaren Heilung erneut und in der Regel leichter für 2 – 4 Tage erkranken. Dabei entwickelt sich eine Meningitis, deren Symptome meist innerhalb von 1 – 2 Tagen verschwinden, aber auch mehrere Wochen bestehen bleiben können [41].

Komplikationen/Folgekrankheiten: Schwerste Komplikation des Morbus Weil ist neben dem Nierenversagen das „severe pulmonary haemorrhage syndrome“ (SPHS) mit Blutsturz, das mit und ohne Gelbsucht und Nierenversagen auftreten kann. Komplikationen der anikterischen Verlaufsformen sind Meningitis und Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut) mit Augenschmerzen, Lichtscheu und verschwommenem Sehen [41].

Pathologie: Charakteristische Merkmale sind Vaskulitis, Schädigung des Endothels und entzündliche Infiltrate, die aus monozytären Zellen, Plasmazellen, Histiozyten und neutrophilen Granulozyten bestehen. Petechien sind üblich und oft in großer Menge vorhanden. Entsprechend der Schwere des Ikterus erscheinen die Organe missfarben [15].

Nieren: Interstitielle Nephritis mit intensiver zellulärer Infiltration aus neutrophilen Granulozyten und Monozyten; Leptospiren innerhalb der Nierentubuli nachweisbar; elektronenmikroskopisch erscheinen die Tubuluszellen deutlich geschädigt; geringere Veränderungen an den Glomeruli. Folge sind gestörte Nierendurchblutung mit verringerter Harnausscheidung; gestörte Funktion, den Urin zu konzentrieren, mit Kaliumverlust durch Schädigung des Endothels.

Leber: keine auffällige Schädigung der Leberstruktur, aber Vergrößerung der Kupffer-Zellen! Offenbar subzelluläre und metabolische Schäden.

gestreifte Muskulatur: fokale Nekrosen einzelner Muskelfasern mit Infiltrationen durch Histiozyten, neutrophilen Granulozyten und Plasmazellen. Diese Myositis erklärt die intensiven Muskelschmerzen, die nachlassen, sobald durch Antikörperbildung die Erreger aus dem Blut verschwunden sind.

Lunge: lokalisierte oder konfluierende, hämorrhagische Lungenentzündung mit Infiltration der Alveolen durch Monozyten und neutrophile Granulozyten und mit Beteiligung der Pleura und des Tracheobronchialbaumes; bei schweren Verläufen massive Blutungen in die Lungenalveolen, was möglicherweise überwiegend ein immunologisch bedingter Prozess ist (Ablagerung von Immunglobulin und Komplement auf der

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Alveolenoberfläche!). Blutungsneigung: meist auf Haut und Schleimhäute begrenzt, obwohl massive

gastrointestinale und pulmonale Blutungen vorkommen. Gerinnungsstörungen und Verminderung der Thrombozyten gehören zum Krankheitsbild, obwohl Kapillarschäden die Hauptursache der Blutungen zu sein scheinen (gewebstoxische Wirkung).

Meningitis: Leptospiren gelangen leicht in den Liquorraum, obwohl sie in die Meningen selbst nicht eindringen. Sie finden sich auch im Liquor von Patienten ohne klinische Meningitiszeichen, so dass hier ebenfalls ein Immunmechanismus angenommen wird.

Herz: fokale interstitielle Myokarditis mit Infiltrationen durch Lymphozyten und Plasmazellen und petechialen Blutungen; Perikarderguss und Entzündung der Coronararterien; Störungen der Herzfunktion gehen aber in der Regel auf Verminderung der zirkulierenden Blutmenge, Elektrolytverschiebungen und Urämie zurück.

Auge: Leptospiren dringen während der Bakteriämie leicht in die vordere Augenkammer ein, wo sie trotz zwischenzeitlicher Antikörperbildung monatelang am Leben bleiben, was den späten Beginn einer Uveitis erklärt [15, 41].

Diagnose: Während die Krankheit im späteren Stadium oft klinisch erkannt oder vermutet werden kann, sind Frühfälle klinisch schwer bis kaum zu diagnostizieren. Auch die Laboratoriumsdiagnose ist nicht einfach: Der mikroskopische Agglutinationstest (MAT), der mit lebenden Leptospiren arbeitet, gilt als serologisch-diagnostische Methode der Wahl, ist aber kein Frühdiagnostikum und kompetent nur in Referenzlaboratorien durchzuführen. Inzwischen gibt es aber auch kommerziell erhältliche Testkits mit Antigenen aus ganzen Leptospiren (ELISA), die aber recht unempfindlich sind und in Endemiegebieten eine geringe Spezifität aufweisen. Die Anzüchtung der Leptospiren aus Blut oder Liquor kann innerhalb der ersten 10 Tage der klinischen Erscheinungen gelingen, erfordert aber Spezialmedien und Spezialerfahrung und benötigt 4-6 Wochen bis zu einem eindeutigen Ergebnis, was für schwerkranke Patienten viel zu lange dauert. Heute werden zunehmend molekularbiologische Methoden (PCR-basiert), aber auch Antigennachweise aus dem Urin eingesetzt [41].

Therapie: Leichte Verlaufsformen sprechen gut auf orale Doxycyclin-Therapie (100 mg 2 x tgl.) für eine Woche an, wenn innerhalb der ersten vier Krankheitstage mit der Behandlung begonnen wird. Intravenöse Gaben von Penicillin G (1,0 – 1,5 Mio. E) alle 4-6 Stunden für eine Woche eignen sich für schwere Verlaufsformen oder Patienten mit starkem Erbrechen. Klinische Wirksamkeit wurde auch für Ceftriaxon, Cefotaxim und Azithromycin berichtet. Entsprechend dem klinischen Bild sind weitere therapeutische Maßnahmen wie Dialyse, oder künstliche Beatmung erforderlich [10, 41].

Prophylaxe (Prävention): Impfstoffe für den Gebrauch beim Menschen sind in Deutschland nicht verfügbar, wurden aber im Fernen Osten (China, Japan) angewandt. In Frankreich ist ein Impfstoff gegen Serovar Icterohaemorrhagiae für den menschlichen Gebrauch zugelassen. Die Immunität nach Überstehen einer Leptospirose ist serovarspezifisch und schützt nicht vor Infektion mit anderen Serovarietäten!

Bei zu erwartender, hoher Exposition oder bei Infektionsverdacht ist eine orale Chemoprophylaxe mit Doxycyclin wirksam, die während der gesamten Expositionsdauer gegeben werden muss. Bei potenzieller Exposition, etwa von Militärangehörigen in Endemiegebieten oder bestimmten Landarbeitern (z. B. auf Reisfeldern), ist die Gabe von 200 mg Doxycyclin einmal wöchentlich prophylaktisch gegen L.-interrogans-Infektionen wirksam. Penicillin-Prophylaxe ist dagegen unwirksam [10, 41]!

Eine Expositionsprophylaxe ist prinzipiell möglich, hat aber im Wesentlichen nur für bestimmte, beruflich Exponierte (s. u.) praktische Bedeutung. Tragen von Gummistiefeln und Handschuhen, die bis zum Ellbogen reichen, bietet guten Schutz, ist aber gerade in tropischen Ländern wenig praktikabel und kaum finanzierbar.

Da die Erkrankung kaum von Mensch zu Mensch übertragen wird, spielen nur die tierischen Primärwirte und durch ihren Urin kontaminierter Boden oder Wasser als Infektionsquelle eine Rolle. Die Ausmerzung infizierter Tiere ist bei der Vielzahl und Menge möglicher Primärwirte nicht durchführbar. Rattenbekämpfung und Verbesserung der Wohnverhältnisse in städtischen Elendsvierteln ist aber eine wichtige Maßnahme zur Eindämmung menschlicher Infektionen [41].

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Epidemiologie Übertragungswege und Eintrittspforten: Übertragung vom Tier auf den Menschen überwiegend durch Kontakt

mit kontaminiertem Oberflächenwasser oder feuchtem Erdboden; Eindringen der Erreger in den menschlichen Körper über meist geringfügige Hautwunden oder -abschürfungen sowie über die Schleimhäute von Auge, Mund, Nasen-Rachen-Raum oder Speiseröhre, so dass auch Verschlucken kontaminierten Wassers oder Inhalation von kontaminierten Aerosolen zur Infektion führen kann. Selbst die intakte Haut kann bei längerem Verweilen in kontaminiertem Wasser durchdrungen werden. Weniger häufig infiziert sich der Mensch durch Kontakt mit Blut, Urin, Körpergewebe oder Abortmaterial infizierter Tiere, sehr selten durch Kontakt mit erkrankten Menschen, zumal menschlicher Urin auch Monate nach der Genesung lebende Leptospiren enthalten kann. Sogar Geschlechtsverkehr soll zu Infektionen geführt haben [15, 41].

Erregerreservoire: Ungefähr 160 verschiedene Tierarten wurden als Träger von Leptospiren nachgewiesen, wobei aber Nager die wichtigsten Reservoire darstellen (siehe „Wirtsbereich“). Bei Wanderratten (Rattus norvegicus) wurde eine Leptospiren-Trägerrate von mehr als 50% gefunden, wobei die Tiere große Erregermengen ohne klinische Krankheitszeichen lebenslang ausscheiden. Auf eine gewisse Präferenz bestimmter Serovarietäten für bestimmte Tierspezies wurde schon hingewiesen (Wanderratten: L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae; Hunde: L. interrogans Serovar Canicola; Schweine und Rinder: L. interrogans Serovar Pomona; Feldmäuse: L. kirschneri Serovar Grippotyphosa). Allerdings können manche Wirtsspezies als Reservoir für mehrere Serovars dienen, und einige Serovars können bei verschiedenen Wirtsspezies vorkommen [15, 41].

Zoonose: Üblicherweise erfolgt die Erregerübertragung vom Tier auf den Menschen (Zooanthroponose); der umgekehrte Übertragungsweg spielt keine Rolle. Infektionsentstehung: exogen ohne Mitwirkung von Vektoren, wobei die Uveitis lange nach dem primären Erregerkontakt auftreten kann.

Inzidenz/Prävalenz: häufig in tropischen Ländern: 37% der Landbevölkerung in Belize und 23% dieser Personengruppe in Vietnam wiesen Antikörper gegen Leptospiren auf [41]. Mehr als 2.527 menschliche Erkrankungs- und 13 Todesfälle wurden in den ersten neun Monaten von 1999 in Thailand gemeldet. Dieser Ausbruch wurde auf L. interrogans Serovar Autumnalis zurückgeführt, für die Bandikutratten (Bandicota indica) als Reservoirwirte dienten. Leptospirosen kommen außerdem in China, Südostasien, Indien, Afrika sowie Süd- und Mittelamerika sehr häufig vor. 2004 kam es in Kenia zu 141 Erkrankungsfällen mit sechs Toten in einer Oberschule [43]. Häufig sind Leptospirosen darüber hinaus in Ost- und Südeuropa, Australien und Neuseeland. Die Häufigkeit dieser Krankheit in tropischen und subtropischen Ländern ist offenbar Folge des warmen und feuchten Klimas, bei dem Leptospiren in der Außenwelt monatelang lebensfähig bleiben. In Nordamerika und Westeuropa tritt die Erkrankung eher sporadisch oder in streng lokalen Kleinausbrüchen auf und ist überwiegend auf die warmen Sommer- und Frühherbstmonate beschränkt [41].

Laut WHO [44] waren die Inzidenzen von Leptospirosen wie folgt: weltweit: 5,1/100.000 Menschen pro Jahr; WHO-Region Afrika: 95,5/100.000; WHO-Region Europa: 0,5/100.000; WHO-Regionen Nord- und Südamerika: 12,5/100.000; WHO-Region Südostasien: 4,8/100.000; WHO-Region West-Pazifik: 66,4/100.000. Menschen im Alter von 20 - >59 Jahren waren durchschnittlich mit einer Inzidenz von 51,9/100.000 (Männer) bzw. 22,3/100.000 (Frauen) betroffen.

In Deutschland wurden zwischen 1962 und 2003 insgesamt 2.694 Leptospirosefälle gemeldet. Daraus ergibt sich eine Inzidenz zwischen 0,06 und 0,11/100.000 Einwohner pro Jahr [12]. Die durchschnittliche Inzidenz zwischen 2004 und 2012 lag bei 0,1/100.000 Einwohner pro Jahr mit 58-92 gemeldeten Fällen jährlich [24, 27, 29-32]. Ausnahme war das Jahr 2007, in dem insgesamt 123 Fälle gemeldet wurden, unter denen 30 auf einen Feldfieber-Ausbruch bei Erntearbeitern eines Erdbeerhofes im Landkreis Düren, NRW, zurückgingen, die durch L. kirschneri Serovar Grippotyphosa hervorgerufen worden waren. Derselbe Erreger fand sich auch bei Feldmäusen (Microtus arvalis) des Erdbeerfeldes, von dem die menschlichen Infektionen ausgegangen waren [28]. Außerdem wurden 2007 eine Leptospirose-Erkrankung nach Rattenbiss (zahme Ratte als Haustier) [26] sowie die Erkrankungen von zwei Sportlern nach Teilnahme an Triathlon-Veranstaltungen in Baden-Württemberg (Ladenburg und Heidelberg) [25] beschrieben.

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Mortalität/Letalität: Die Letalität für alle Altersgruppen weltweit lag laut WHO [44] bei durchschnittlich 7,9% (Männer) bzw. 9,3% (Frauen). In Deutschland wurde zwischen 1962 und 2003 eine durchschnittliche Letalität von 9% (5-12%) beobachtet [12]. Bei dem oben beschriebenen Ausbruch 1999 in Thailand errechnet sich eine Letalität von 0,51%, bei dem 2004 in Kenia von 4,3%.

Infektiosität/Kontagionsindex: Die Infektiosität der Leptospiren ist offenbar hoch, denn sonst wäre es schwer vorstellbar, dass Kontakt mit nicht sichtbar verunreinigtem Oberflächenwasser von Bächen, Flüssen oder Seen, in dem wegen des Verdünnungseffektes keine besonders hohen Leptospirenkonzentrationen zu erwarten sind, zu menschlichen Infektionen führen kann. Der Kontagionsindex dürfte dagegen nicht sehr hoch sein, weil einerseits asymptomatische Leptospirosefälle beschrieben wurden und andererseits die hohen Durchseuchungsraten, wie sie oben für Belize und Vietnam beschrieben wurden, auf einen nennenswerten Prozentsatz subklinischer Verläufe hinweisen [41].

Widerstandsfähigkeit - Tenazität Endosporenbildung: keine. Resistenzen (Trockungs-, Chemo-, Thermo-, Strahlenresistenz): Deutliche Trocknungsresistenz ist ebenso

wie ausgeprägte Strahlenresistenz nicht bekannt. Leptospiren sind empfindlich für 1% Natrium-Hypochlorit, 70%igen Äthylalkohol, Glutaraldehyd und Formaldehyd, aber resistent gegen das Pyrimidin-Analogon 5‘-Fluorouracil, welches das Wachstum der meisten anderen Bakterien hemmt. Feuchte (121 °C für wenigstens 15 Minuten) und trockene Hitze (≥180 °C) für mindestens 45 Minuten (in Abhängigkeit vom Füllungsgrad des Heißluftsterilisators) töten Leptospiren sicher ab.

Überleben in feuchter Umgebung in der Außenwelt: in mit erregerhaltigem Urin kontaminiertem, feuchten Erdboden – viele Wochen; in Wasser, das durch kontaminierten Boden geflossen ist – bis zu 19 Tagen; in Oberflächenwasser von Seen – bis zu 10 Tagen in Abhängigkeit vom Salzgehalt; in Schlamm – fünf Tage; in Urin infizierter Ratten bei Zimmertemperatur – 5, aber keine 24 Stunden [10, 13] (Diese Überlebensraten gelten für L. interrogans, für L. borgpetersenii dürften sie wesentlich geringer sein!)

Antibiotikaresistenz: in-vitro-Empfindlichkeit für viele antibakterielle Pharmaka: Penicilline, Cephalosporine, Aminoglykoside, Makrolide, Tetracycline und Lincosamide. Partielle bis vollständige Resistenz besteht gegen Chloramphenicol, Polymyxin B, Sulfamethoxypyridazin, Vancomycin, Viomycin, Ethambutol, INH, PAS, Rifampicin und Nitrofurantoin [7, 10, 13].

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Arbeits- und Gesundheitsschutz/Gefährdungsbeurteilu ng Schutzstufe/Sicherheitsstufe: für gezielte Tätigkeiten Schutzstufe 2 nach BioStoffV bzw. Sicherheitsstufe 2

nach GenTSV. Gefährdende Tätigkeiten/Expositionssituationen: verschiedene berufliche Tätigkeiten sowie Aktivitäten, die

der Erholung oder bestimmten Hobbys dienen. Gefährdende berufliche Tätigkeiten: In der Landwirtschaft: Arbeiten auf Reisfeldern, Zuckerrohr- oder Gummibaumplantagen (Tropen/Subtropen) sowie auf überschwemmten oder sehr nassen Feldern und Wiesen (Westeuropa); Tätigkeiten mit möglichem Kontakt zu Nagern oder deren Urin (z. B. in Futtermittellagern oder Scheunen); Umgang mit potenziell infizierten Nutztieren (Nutztierhaltung und -zucht: Milchkühe, Schweine) z. B. bei Melken mit der Hand, Hilfestellung bei Geburten, Beseitigung von Abortmaterial, künstlicher Besamung. In Schlachthöfen: Schlachten und Verarbeiten von unerkannt infizierten Schlachttieren; Fleischbeschau. In der Veterinärmedizin: Untersuchen, Operieren oder Sektion von Tieren sowie Geburtshilfe durch Tierärzte und zugehörige Hilfskräfte. In der Schädlingsbekämpfung: Ratten- und Mäusebekämpfung. Im Bergbau: Arbeiten unter Tage. In der humanmedizinischen Diagnostik und Forschung: Betreuung von Versuchstieren; Durchführung von Tierversuchen, insbesondere mit Nagern oder Hunden; Laborarbeiten zur Diagnostik und Erforschung von Leptospirosen, vor allem Arbeiten mit Leptospiren-Kulturen. In der Abwasserentsorgung: Kanalarbeiten. In der fischverarbeitenden Industrie und in der Fischzucht: Kontakt mit kontaminiertem Wasser und bei unzureichender Schädlingsbekämpfung (Die Gefahr, eine Leptospirose im Zu-sammenhang mit der Zucht von Süßwasserfischen zu erwerben, wurde erst vor kurzem erkannt). Im Tiefbau: Arbeiten mit Exposition gegenüber Oberflächenwasser von Flüssen oder Seen oder nach heftigen Regenfällen. Beim Militär: Einsätze in tropischen Feuchtgebieten oder in der warmen Jahreszeit in Überschwemmungsgebieten. Gefährdende Aktivitäten, die der Erholung dienen: Sport- oder Freizeitaktivitäten mit Kontakt zu Oberflächenwasser wie Schwimmen, Kanufahren, Rafting, Segeln, Wasserskifahren, Barfußgehen durch nasses Gras. Gefährdende Aktivitäten, die aus Liebhaberei ausgeführt werden: Halten von zahmen Haustieren wie z. B. Hunden oder Ratten; Angeln von Süßwasserfischen; Höhlenwanderung und -erkundung (evtl. auch als berufliche Aktivität) [10, 15, 41].

Spezielle tätigkeitsbezogene Sicherheitsmaßnahmen: Ratten- und Mäusebekämpfung, wo möglich und sinnvoll: z. B. in der Kanalisation, in der fischverarbeitenden Industrie, im Bergbau unter Tage; bei nicht gezielten Tätigkeiten: wenn möglich, Vermeidung von Haut- oder Schleimhautkontakt mit potenziell kontaminierten Flüssigkeiten durch PSA (s. u.), bei zu erwartender hoher Exposition orale Gabe von 200 mg Doxycyclin einmal wöchentlich für die Dauer der Exposition [41]; bei gezielten Tätigkeiten: alle Schutzmaßnamen der Schutz- bzw. Sicherheitsstufe 2 einschließlich Verwendung einer Sicherheitswerkbank, evtl. zusätzliche PSA (s. u.).

Persönliche Schutzausrüstung (PSA): bei nicht gezielten Tätigkeiten: wasserdichte Schutzkleidung, Gummistiefeln, Gummihandschuhe bis zum Unterarm/Ellenbogen, evtl. Spritzschutz und Mund-Nasen-Schutz, bei starker Aerosolbildung Atemschutz; bei gezielten Labortätigkeiten: Schutzkleidung (am Rücken oder vorn dicht schließender Schutzkittel), Schutzhandschuhe, evtl. zusätzlich flüssigkeitsdichte Schürze, Spritzschutz (Schutzbrille, besser Gesichtsschild), bei Gefahr von Aerosolbildung außerhalb der Sicherheitswerkbank (z. B. bei Operation oder Sektion größerer Versuchstiere) Atemschutz [10].

Berufsbedingte Erkrankungen/gefährdete Personen und Berufsgruppen: Leptospirosen als Berufskrankheit bei: Landwirten, Beschäftigten in Schlachthöfen, Tierärzten und tierärztlichem Hilfspersonal, Schädlingsbekämpfern, Bergleuten, Kanalarbeitern, Beschäftigten in der fischverarbeitenden Industrie und Zucht von Süßwasserfischen, Beschäftigten im Tiefbau, Soldaten, Beschäftigten in human- und veterinärmedizinischen Laboratorien [10, 15, 41].

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Sofortmaßnahmen bei Unfällen/Erste Hilfe: bei Hautkontakt mit kontaminierten Flüssigkeiten oder (potenziell)

erregerhaltigen Gewebeproben umgehende Desinfektion mit alkoholischem Hände/Hautdesinfektionsmittel; bei Spritzern ins Auge unter fließendem Wasser oder mit Augendusche 10-15 Minuten spülen; bei Spritzern in den Mund umgehend ausgiebig mit Wasser spülen; nach Rücksprache mit dem Betriebsarzt prophylaktische Gabe von 200 mg Doxycyclin pro Tag für 1 Woche [10].

Arbeitsmedizinische Vorsorge: §§ 4 und 5 und Anhang Teil 2 Abs.1 Nr. 1 und 2 ArbMedVV. Andere gesetzliche Regelungen: Infektionsschutzgesetz (IfSG): Nach § 7 Abs.1 Nr. 28 ist der direkte oder

indirekte Nachweis von humanpathogenen Leptospira spp. namentlich zu melden. Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten (TKrMeldpflV): Nach der Anlage (zu § 1)

Nr. 14 ist das Auftreten von Leptospirose oder deren Erreger bei Schweinen und Schafen unverzüglich der nach Landesrecht zuständigen Behörde unter Angabe des Datums der Feststellung, der betroffenen Tierarten, des betroffenen Bestandes und des Kreises oder der kreisfreien Stadt zu melden.

Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen (TierSeuchAnzV): Nach dieser Verordnung sind tierische Leptospirosen nicht anzeigepflichtig!

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