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14 APPLICA 8/2016 IM FOKUS Die Situation: Weil die St.Gallerstrasse in Buchs den Blick auf das geschicht- lich sehr wertvolle Werden- berg frei gibt, stehen die an ihr gebauten historischen Fassaden unter Denkmal- schutz. (Bild: Raphael Briner) Backsteinklinker gemauert und verputzt sowie mit einer Holzverkleidung ausge- stattet worden. Unter der Glattputzde- cke wurde eine Schilfrohrmatte auf die tragenden Balken montiert. Einiges am Gebäude an der St.Gallerstrasse war beziehungsweise ist speziell. Es hat ei- nen besonderen, allerdings für die da- malige Zeit typischen, Dachgiebel, der auf vier Seiten asymmetrisch ausgebil- Grauer Jugendstilbau wird zum roten Haus Text Raphael Briner und Gustav Zogg AG Gustav Zogg aus Buchs SG hatte beim Umbau einer Jugendstil-Liegenschaft denkmalpflegerische Auflagen zu beachten. Eine der grossen Herausforderun- gen war, auf der Rückseite einen modernen Anbau zu erstellen, dessen Stock- werke nicht auf der gleichen Höhe wie diejenigen des Altbaus sind. Da er nach Gebäudeprogramm sanierte, erhielt Gipsermeister Zogg diverse Fördergelder. Werdenberg im St.Galler Rheintal ist zwar die kleinste Stadt Europas. Weil das Örtchen mit je nach Saison 55 bis 70 Einwohnern und dem imposanten Schloss jedoch eine der ganz wenigen erhaltenen mittelalterliche Holzsiedlun- gen ist, beeinflusst es die Raumplanung der benachbarten 12 000-Seelen-Stadt Buchs entscheidend. Das Gebiet zwischen dem Zentrum von Buchs und Werdenberg steht un- ter Ortsbildschutz (Kernzone W3). Des- halb dürfen die Vorderfassaden der an der St.Gallerstrasse stehenden Häuser nicht verändert werden. Der historische Eindruck – den bekommt, wer auf das alte Städtchen mit dem darüber thro- nenden Schloss zufährt oder -geht – soll nicht durch moderne Architektur getrübt sein. Kernzone beschränkt Spielraum An die Anforderungen der Kernzone hat- te sich der Gipsermeister Gustav Zogg aus Buchs zu halten, als er die von ihm erworbene Liegenschaft St.Galler- strasse 16 umbaute. Allerdings konn- te er hinten an dieses Haus aus der Jugendstilzeit eine Stahlskelett-Konst- ruktion anbauen und so weiteren Wohn- raum schaffen. Der vordere, gegen Ende des 19. Jahr- hunderts erbaute Teil sollte eine ener- getische Sanierung erfahren, wobei die Optik aus den genannten denkmalpfle- gerischen Gründen nicht verändert wer- den durfte. Die Fassade und die tragen- den Innenwände waren um 1890 mit Die Originalpläne aus der Bauzeit um 1890 sind erhalten, was eine Seltenheit ist. (Bild: Raphael Briner)

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I M F O K U S

Die Situation: Weil die

St.Gallerstrasse in Buchs

den Blick auf das geschicht-

lich sehr wertvolle Werden-

berg frei gibt, stehen die an

ihr gebauten historischen

Fassaden unter Denkmal-

schutz.

(Bild: Raphael Briner)

Backsteinklinker gemauert und verputztsowie mit einer Holzverkleidung ausge-stattet worden. Unter der Glattputzde-cke wurde eine Schilfrohrmatte auf dietragenden Balken montiert. Einiges amGebäude an der St.Gallerstrasse warbeziehungsweise ist speziell. Es hat ei-nen besonderen, allerdings für die da-malige Zeit typischen, Dachgiebel, derauf vier Seiten asymmetrisch ausgebil-

Grauer Jugendstilbauwird zum roten Haus

Text Raphael Briner und Gustav Zogg AG Gustav Zogg aus Buchs SG hatte beim Umbau einer Jugendstil-Liegenschaft

denkmalpflegerische Auflagen zu beachten. Eine der grossen Herausforderun-

gen war, auf der Rückseite einen modernen Anbau zu erstellen, dessen Stock-

werke nicht auf der gleichen Höhe wie diejenigen des Altbaus sind. Da er nach

Gebäudeprogramm sanierte, erhielt Gipsermeister Zogg diverse Fördergelder.

Werdenberg im St.Galler Rheintal istzwar die kleinste Stadt Europas. Weildas Örtchen mit je nach Saison 55 bis70 Einwohnern und dem imposantenSchloss jedoch eine der ganz wenigenerhaltenen mittelalterliche Holzsiedlun-gen ist, beeinflusst es die Raumplanungder benachbarten 12000-Seelen-StadtBuchs entscheidend.

Das Gebiet zwischen dem Zentrumvon Buchs und Werdenberg steht un-ter Ortsbildschutz (Kernzone W3). Des-halb dürfen die Vorderfassaden der ander St.Gallerstrasse stehenden Häusernicht verändert werden. Der historischeEindruck – den bekommt, wer auf dasalte Städtchen mit dem darüber thro-nenden Schloss zufährt oder -geht – sollnicht durch moderne Architektur getrübtsein.

Kernzone beschränkt Spielraum

An die Anforderungen der Kernzone hat-te sich der Gipsermeister Gustav Zoggaus Buchs zu halten, als er die vonihm erworbene Liegenschaft St.Galler-strasse 16 umbaute. Allerdings konn-te er hinten an dieses Haus aus derJugendstilzeit eine Stahlskelett-Konst-ruktion anbauen und so weiteren Wohn-raum schaffen.

Der vordere, gegen Ende des 19. Jahr-hunderts erbaute Teil sollte eine ener-getische Sanierung erfahren, wobei dieOptik aus den genannten denkmalpfle-gerischen Gründen nicht verändert wer-den durfte. Die Fassade und die tragen-den Innenwände waren um 1890 mit

Die Originalpläne

aus der Bauzeit um 1890

sind erhalten, was eine

Seltenheit ist.

(Bild: Raphael Briner)

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det ist. Auf dem Dach montiert hattees eine Kugel aus Zink, die zerschos-sen war. «Vermutlich machte jemand inden Kriegszeiten Zielübungen darauf»,sagt Zogg, denn die verwendete Muni-tion dürfte Karabiner-Kaliber gehabt ha-ben. Ungewöhnlich ist auch, dass dermit Feder und Tusche gezeichnete Ori-ginalplan erhalten ist. «Das war damalsschon ein bisschen eine Arbeit», stelltZogg in Ostschweizer Diktion fest.

Geduld vonnöten

Bis die Baubewilligung erteilt war,brauchte es Geduld und einige Gesprä-che mit der kantonalen Denkmalpflege.Ursprünglich wollte Zogg die Dächer des

alten und des neues Gebäudes auf glei-cher Höhe verbinden, um übergreifen-de Wohnungen zu schaffen. Das wurdenicht bewilligt, was dazu führte, dass dieWohnebenen in den beiden Hausteilenversetzt sind. Dadurch entstanden qua-si acht Stockwerke. Der Übergang vomalten Dach zum neuen Gebäude lösteder Gipsermeister mit der Konstruktioneiner Dachterrasse. Beide Hausteile zu-sammen beherbergen zehn Wohnungen.

Die Sanierung gemäss den Richt-linien des Gebäudeprogramms (zur er-haltenen Unterstützung siehe Kastenauf Seite 16) führten grösstenteils Fach-leute der Gustav Zogg AG aus. SämtlicheFenster wurden mit Schallschutzglas,

Das Jugendstilhaus nach und

vor der Sanierung.

(Bilder: Gustav Zogg)

Die Gustav Zogg AG

Die Gustav Zogg AG besteht seit 1983

und wird als Familienbetrieb geführt. Der

Inhaber Gustav Zogg, Jahrgang 1958, ist

eidg. dipl. Gipsermeister und war von

1993 bis 1997 Vizepräsident des Gipser-

unternehmer-Verbands der Ostschweiz

(GVO). Die Firma mit vier Mitarbeitenden

ist Lizenznehmer und Generalunterneh-

mung für Bauconcept-Energiesparhäuser.

Sie ist Mitglied des Schweizerischen Ma-

ler-und Gipserunternehmer-Verbandes

SMGV und der Fachgemeinschaft «Die Mei-

ster». Dem Familienbetrieb ist die Rhymo Immobilien AG angegliedert, die von der Ehe-

frau Irene und den Söhnen Fabian, Jahrgang 1991, und Dominik, Jahrgang 1993, ge-

führt wird.

www. zogg-gipser.ch, www.rhymo.ch

das einen U-Wert von 0,7 hat, ausge-rüstet. Die Rahmen mussten auf Anwei-sung der Denkmalpflege aus Holz sein.Es war ebenfalls ein Anliegen der Be-hörde, dass die Fenstereinfassungen(Gewände) weiterhin zur Geltung kom-men. Deshalb wurden diese mit profi-lierten und beschichteten Hartschaum-Elementen nachgebildet und farblich ab-gesetzt.

Die verputze Fassadendämmung be-steht aus einer EPS 030 Lambada Plusder Stärke 180 mm, einer Grundbe-schichtung mit Glasfasergewebe-Einlagesowie einem mineralischen, eingefärb-ten Silikonhartzputz Korngrösse 3 mm.

Die Dämmung des Daches

Auf das bestehende, also weit über100 Jahre alte Original-Unterdach mon-tierten die Handwerker eine Weichfaser-platte der Stärke 60 mm. Diese decktensie mit einer Unterdachbahn ab, damitder Dachdecker die Unterkonstruktionfür die Bedachung mit Flachfalzziegel-Eindeckungen erstellen konnte.

Innen am Dach wurde eine Zwischen-sparrendämmung der Stärke 160 mmeingebaut sowie eine Dampfbremsemit Dachlatten-Unterkonstruktion, eine30-mm-Mineralwollplatte, eine 20 mmstarke Gipskartonplatte und ein Decken-spritzputz ausgeführt. Die Kellerdeckengegen unbeheizte Räume wurden eben-falls isoliert. Im Innern der Wohnungen er-geben die neu erstellten Leichtbautrenn-wände CW 75/115 mit Zwischen-isolation und beidseitigem Fertigputz

Gustav Zogg. (Bild zVg)

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Oben: Dachwohnung mit

montierten, 20 mm starken

Gipsbauplatten.

Unten: Fertiger Innenausbau

der Dachwohnung, Decke

mit Spritzputz 1 mm, Wände

mit Deckputz 1,5 mm, alte

Tragbalken sichtbar.

Boden mit Fliessestrich-

Unterlagsboden inklusive

Bodenheizung und Feinstein-

zeug-Bodenplatten.

(Bilder: Gustav Zogg)

bau-System mit Stahlskelett, Filigran-decken und Leichtbautrennwänden.«Das Innovative ist die Fassadenisola-tion. Von 30 cm Wandstärke sind 28 cmDämmung», erklärt Zogg.

Die Warmwasseraufbereitung für dentäglichen Gebrauch und die Heizung wirddurch den Einbau von Sonnenkollekto-ren ergänzt und mit Fernwärme sicher-gestellt.

In der Tradition der Region

Das ehemals graue Jugendstil-Haus, dervordere Teil des Doppelgebäudes, istjetzt rot beschichtet. Das hat einen be-sonderen Grund. «Es war für diese Zeittypisch, dass wichtige Häuser, die dasDorfleben prägten, eine rote Farbe hat-ten», sagt Gustav Zogg. Es waren meistdie Rathäuser.

So hat etwa Werdenberg ein «RotesHaus» oder auch Azmoos weiter obenim Rheintal. Zogg hat mit der Farbe er-reicht, dass das etwas zurückversetzte,vorher unauffällige Haus nun zur Geltungkommt. ■

1,5 mm einen angenehmen Kontrast zuden anthrazitfarbenen Feinsteinzeug-Bo-denplatten auf dem schwimmend verleg-ten Fliessestrich-Unterlagsboden. Derneuerstellte Anbau erfolgte im Leicht-

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Geld aus Förderprogrammen

Die Gustav Zogg AG erhielt für die energetische Sanierung der Liegenschaft St.Galler-

strasse 29 in Buchs folgende Beträge:

■ Energie-Förderprogramm der Stadt Buchs: CHF 1600 (Warmwasserkollektoren)

■ Energieagentur St.Gallen: CHF 3200 (Sonnenkollektor-Anlage)

■ Gebäudeprogramm des Kantons St.Gallen: CHF 22 970 (Fenster, Dach, Wände gegen

Aussen [Fassade], Wand im Erdreich [bis 2 m] und Böden gegen unbeheizt [Kellerdecke]).

■ Total: CHF 27 770